Keine Headlines ohne Luft zum Denken
- Reiner Makowsky
- 5. Jan. 2024
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen

Echte Zugänglichkeit wird immer seltener. Das wissen Marketer und Werbeagenturen wie Verlage und Sender. Austauschbare Headlines sind wenig glaubwürdig und lassen den Content schnell inhaltsleer wirken. Sie bieten den Leser*innen keine Identifikationsfläche. Jedoch ist es im Content-Marketing gang und gäbe, mit ein paar austauschbaren Textschnipseln und einer Flasche Headline-Kleber bewaffnet, auf sie loszugehen. Wobei auf den Kleber-Fläschchen Sortennamen wie useful, urgent, unique oder ultra-specific noch eine Präzision und Haftung versprechen, die in der Regel aber nicht auf die Köpfe der Leser*innen zugeschnitten ist. Wahrscheinlich weißt du bereits um jene geheimen Textschnipsel des Erfolges –
Texter und Konzepter wollen nicht, dass du sie kennst!
Kein Scherz: ...
Die Wahrheit kennen ...
7 Regeln, die …
Ignoriere nicht ...
Geheime Insider-Tipps ...
Das passiert, wenn du ...
10 effektive Wege …
Diese Wirkung hat …
Unglaublich, aber...
Unsere erfolgserprobten ...
Willst du es endlich schaffen ,...
Warum dein ...
Wir verraten dir ...
Niemand wusste ...
Was dir niemand sagt: ...
Aus gutem Grund, denn mit dem Schnipsel-Trick verkaufst du nur eines erfolgreich: dich und deine Leser*innen unter ihrem Wert oder für gagga. Es ist die Sprache der Content-Marktschreier, die nicht gerade zu jeder Markenzielgruppe passen will. Ein sonst definierter Auftritt wird dadurch unauthentisch und leicht billig wirken. Der platte Slang des Schwarms macht deine Mehrwerte nicht gerade plastisch. Schlecht (in Worte) gekleidet, würde man auf offener Straße sagen. Von kommunizierten Mehrwerten brauchen wir gar nicht erst sprechen, ganz im Gegenteil. Je abgedroschener die Headline-Phrase daherkommt, desto wahrscheinlicher wird es auch, an den relevanten Leser*innen vorbeizuschreiben. Wer lässt sich schon gern zukleistern?
Mein Vorschlag: Du solltest schreiben oder du lässt schreiben. Und zwar nach dem Motto 1–5:
Bitte nicht zukleistern!
Leider ist das Problem mit dem Zukleistern und Vorbeischreiben allgegenwärtig und leistet sich viele Varianten. Markenredakteur*innen, mit denen ich in Agenturen zusammenarbeitete, hielten es für eine gute Idee, sich bei der redaktionellen Arbeit hauptsächlich am Handwerk der Textkolleg*innen aus den PR-Redaktionen oder am Journalismus zu orientieren. Das klingt dann etwas professioneller oder sogar objektiver! Um die Leser*innen in Artikel zu ziehen, schreibt man prägnant, konzentriert sich auf „die Fakten“, nutzt typische Schlag- oder Triggerwörter oder trickst mit Frageaussagen. Fragen, welche sich die Leser*innen vermutlich stellen oder stellen sollten. Wenn dann im Ergebnis sowohl derStandard, Dr. Böhm als auch vly Foods auf dieselbe Art und Weise Headlines über Vitamin D schreiben, ist etwas grundsätzlich falsch gelaufen.
Vitamin „wichtig“ und sein Mehrwert
Warum VITAMIN D so wichtig für unseren Körper ist | Dr. Böhm
Vitamin D ist im ersten Schwangerschaftsdrittel besonders wichtig | Aponet.de
VITAMIN D: WOFÜR IST ES WICHTIG? | Feelgood Shop
Warum Vitamin D wichtig ist | derStandard
Vitamin D: Wirkung und Funktion des wichtigen Hormons | Augsburger Allgemeine
Vitamin D: Warum ist es so wichtig? | vly Foods
Wichtig anzumerken wäre noch, dass die Blogleser*innen von vly doch einen ganz anderen Zugang zu den Vitamin-D-Themen haben dürften als die Blogleser*innen von Dr. Böhm oder die Leser von derStandard und web.de. Doch dieser feine Unterschied wird nicht nur von vielen Marketingabteilungen oder ihren Content-Redaktionen übersehen. Mit dem Textkleister von der Marke „wichtig" wird vor nichts und niemandem haltgemacht und auch nicht vor seinen großen Agenturkunden. Selbst nicht vor denen großer Medienmarken, die nicht selten ihre Leser* und Zuschauer*innen entgegen allen Regeln der Kunst vollständig einbalsamieren. Nur eben professioneller.
Im Gegensatz zum Content-Marketing haben die Headlines von Verlagen und Sendern nämlich eine weitere, noch ganz andere Funktion, wenn sie beispielsweise in Newsfeeds auftauchen oder Links in Postings ankündigen. Diese geht über die Zweckdienlichkeit, Leseinteresse einzufangen, hinaus. Und sie spielt für dein Content-Marketing keine Rolle. Journalistisch für Medienmarken zu arbeiten bedeutet, in den Headlines auch Impulse zu setzen, Wirklichkeiten zu rekonstruieren. Wirklichkeit aus Fakten und Sichtweisen, die es zu thematisieren gilt und die zum Zweck der Meinungsbildung publiziert werden. Gut so.
Nur leider wird die hart umkämpfte Meinung regelmäßig den Kopf verlieren, wenn sie bereits ab den Headlines bei allen möglichen Textsorten buchstäblich vorgeklebt wird. Diese Einstiege lassen wenig Raum für Mehrwerte und nicht einmal für Nachrichtenwerte offen, schon gar nicht aus Sicht der Leser*innen. Solche Headlines sprechen eher für Mehrwerte, welche sich aus den Sichtweisen der Leserschaft heraus für Autor*innen, Verlage sowie deren Stakeholder und Werbekundschaft herstellen lassen.
Warum es bei den Wirtschaftsweisen Streit gibt | Tagesschau, Mai 2024
Arzt empfiehlt: Deshalb sollten Sie öfter rückwärts gehen | Focus Online, April 2025
HARVARD-STUDIE: Warum es Kindern guttut, wenn die Mutter berufstätig ist | Brigitte, Mai, 2024
Ukraine-Soldat erklärt, warum er kein Erbarmen mit flehenden Russen hat | Merkur, Mai 202
Muss Pistorius seinen Hut nehmen? Deswegen wackelt sein Stuhl als Verteidigungsminister | Der Westen, April 2025
Warum jetzt auch die Landwirtschaft in Frankreich demonstriert | Frankfurter Rundschau, Januar 2024
Noch bevor die Meinung sich überhaupt zu Wort melden kann, lassen sich mit Frageaussagen im Stil von „wieso, weshalb, warum” Erwartungen an Kausalitäten und deren Ursachen fixieren. Das ist zwar ein wenig tölpelhaft, sollte aber für das Content-Marketing nicht ganz uninspiriert wirken. Wer Gründe hat, dem lassen die Leute nicht nur vieles durchgehen, sie kaufen ihm auch einiges ab. Doch davon mal abgesehen unterscheidet sich Content-Marketing für Unternehmensmarken auch am redaktionellen Anspruch vom Journalismus, welcher ein anderer ist. Auf den kommen wir gleich nochmal zurück!
Wir sollten in den Headlines jedenfalls nicht vorgeben, etwas einzuordnen oder schreiben „was ist“, sondern darüber etwas aussagen, was sein kann oder sein soll. Alternativ kann man auch sagen, was nicht mehr sein muss oder sein soll. Aus typischen Frageaussagen, denen wir vor dem Schreiben eines Artikels nachgehen, werden allerdings keine überzeugenden Formulierungen für eine Headline geboren:
Wie die Kund*innen ihre Produktivität steigern können.
Warum die meisten Kund*innen diesen einen entscheidenden Fehler machen.
Wieso die Kund*innen in diesem Jahr Folgendes nicht tun sollten.
Weshalb es wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren.
Weswegen unsere Marke dieses oder jenes getan hat.
Es geht in den Headlines weniger darum, was deiner Ansicht nach in einem Beitrag drinsteckt (was ist). Das ist austauschbar, sondern um das, was für die Leser*innen womöglich „drin ist“. Neugierig wollen wir sie machen, also muss es für sie auch einzigartig wirken, nach Unique Content klingen und nicht wie klebrige Textwatte aussehen. Denn die Headline macht genau das einzigartig, was sich deine Leser*innen vom Inhalt versprechen, ihre Erwartungen. Ein Anspruch, mit dem du dich in bester Marketing-Gesellschaft wähnen darfst: Headlines, so wie es sein soll!
Coca-Cola Zero hat diese immer noch gültige Prämisse einst in einen Kampagnenslogan gegossen.
So, wie es sein soll! [Q0]
Mit diesem einfachen Mantra versteht sich der Stellenwert von Kreativität im Content-Marketing von selbst: Was sein soll oder sein kann, ist in den Headlines immer eine kreative Idee und die Heranführung an eine bessere Option für deine Leser*innen. Eine Alternative, wobei man alternativ auch sagen kann, was nicht (mehr) sein muss oder sein soll. Halte dich an diese Prämisse, wenn du die Kreativität und Originalität von Content-Marketing-Headlines im Pi mal Daumen beurteilst: Was sein kann oder nicht (mehr) sein soll oder sein muss – wie originell klingt das?
Damit hast du für deine Content-Redaktion einen eigenen, leicht anwendbaren Qualitätsstandard bei der Hand. Zumal das Bemühen um die Einhaltung journalistischer Standards den deutschen Journalismus nicht davon abgehalten hat, sich in eine handfeste Glaubwürdigkeitskrise zu manövrieren. Dorthin sollten wir ihm mit unseren Headlines lieber nicht folgen, sie ist im Kern eine Qualitätskrise und somit eine Sinnkrise, welche nicht die unsere ist.
Sie zeugt, weit über den Beginn der letzten vier Dauerkrisenjahre hinaus, von immer weniger Zeit und wirklichem Interesse für das, „was ist“. Stattdessen lesen wir zunehmend von dem, was sein könnte oder was sein sollte – ähnlich, und „offenbar“ anders, als es für Headlines im Content-Marketing zu empfehlen wäre.
Versuch es nicht richtig!
Viel zu oft geht es nur noch um das wahrscheinlich Richtige. Dieses „Richtige“ ist einer Anpassung der Verlage an den Formalstil des (‚sozialen') Internets, dessen Publikationsdruck und dem Informationsverhalten von Leserschaften geschuldet. Das Richtige tritt in unterschiedlicher Qualitätsausprägung in Erscheinung und liest sich sehr eigentümlich. In den Headlines kommen seine Fragetechniken oft fordernd wie formend daher und zielen auf eine Art Wahrheitsgläubigkeit bei den Leser*innen ab. Eine passive, die sie der Marketing-Kommunikation oder Influencern vernünftigerweise nicht so einfach entgegenbringen. Zulasten derer ihnen aber Fakten präsentiert werden, welche oft nur ein Antwortvakuum füllen, welches ihnen die schwammige Nörgelei in deren Headlines erst eingebracht hat:
Ist grüner Tee wirklich so gesund? SWR | kein Datum
War es klug, so früh auf eine Impfpflicht zu verzichten? ARD Report Mainz | November 2021
Sollte es ein Böllerverbot geben? SWR | Dezember 2023
Ist man ein schlechter Mensch, wenn man heimlich über eine rote Ampel geht? Süddeutsche | Mai 2024
Wäsche waschen: Wie oft sollte man seinen Schlafanzug wechseln? Merkur | Mai 2024
Werden die Jungen durch die Rentenreform der Ampel veräppelt? Watson | April 2024
Es könnte ja sein, dass ich total desinformiert meinen grünen Tee trinke.
Relevanz geht anders. Und im Grunde verkündet die ganze Infragestelle- und Umerklärerei im Namen der Richtigkeit nur immerzu dieselbe langweilige Markenbotschaft in den Headlines der Verlage und Sender: Wir wissen’s halt besser – klar, oder? Nicht so wirklich sympathisch. Erst recht, wenn im Notbedarfsfall aus „was ist“ wieder mal „wer, was ist“ unter Bezugnahme auf Inhalte und den ‚richtigen‘ Umgang mit Informationen und Meinungen an sich wird. Und na ja, ausgehend von einem deutschen Journalismus, der sich leider schon 2015 – stellvertretend durch die „Journalistin des Jahres“ – nicht mehr in der Lage sah, der Welt richtigerweise zu sagen, was ist – Anja Reschke (NDR):
„Tja, sagen was ist. Was ist denn jetzt? Was sag ich denn jetzt? Was ist das Richtige?“ ÜBERMEDIEN | Februar 2016: Journalistin des Jahres Aber was heißt denn das: „Sagen, was ist“ [Q1]
Was genau die Aufgabe des Journalismus sei, darüber rätseln bis heute Tageszeitungsredaktionen, als ob es um Kunst ginge. Texter und Konzepter hingegen müssen sehr genau wissen, dass das Richtige nie dasselbe sein wird wie das, „was ist“. Schon gar nicht dasselbe, was im Interesse unserer Leserschaft sein soll. Das Richtige wird immer eine selektive Auffassung sein, ein rein kognitives Werturteil von dem „was ist“. Und das kann aus unserer Sicht gar nicht richtig sein, weil wir bei den Leser*innen so nicht weiterkommen.
Wie war das noch? „Es ist, wie es ist.“ Und „was ist“, sind in der Regel herausfordernde Situationen oder Probleme, vor denen unsere Leser*innen und Kund*innen stehen, weil sie bisher nichts Besseres gefunden haben, um diese zu lösen oder zu verstehen. Oder sie meinen, das Richtige für sich bereits zu kennen, was auch ein Problem darstellt, wenn es so nicht funktioniert.
Wenn das angeblich Richtige rein gar nichts oder sogar noch das Gegenteil bei den Leser*innen bewirkt, es aber in der Redaktion weiterhin den Ton angibt, dann regiert die falsche Effektivität. Diese führt nicht nur NDR-Journalistinnen schnurstracks in einen merkwürdigen Beziehungsirrtum mit ihren Zuschauer*innen – wenn sie so gerne über ‚das Richtige‘ berichten wollen. Sondern in jene Art Irrtümer, in die auch wir unsere Leserschaften aufgrund eines vermeintlich identifizierten Informationsbedarfs niemals stürzen dürfen:
„Aber es ist ein bisschen wie mit Kindern: Wenn das Kind sagt: ‚Uh, da ist ein Monster unterm Bett‘, und man sagt: ‚Nee, ich hab nachgeguckt, da ist kein Monster‘ – es hilft nichts. Angst lässt sich nicht so leicht wegwischen“ ÜBERMEDIEN | Februar 2016: Journalistin des Jahres Aber was heißt denn das: „Sagen, was ist“ [Q1]
Das ist sicher richtig – also das mit den Kindern. Weshalb die eigene Positionierung sprachlich und sogar Fakten mit moralischen Prinzipien oder Gleichnissen frisiert werden müssten – sodass nicht nur Kinder zustimmen, sondern alle auf richtige Weise den „Mehrwert der ARD begreifen“ [Q3] – das kann jeder im eigens von der Rundfunkanstalt in Auftrag gegebenen Framing-Manual nachlesen.
Wichtiger jedoch als nur richtig zu klingen, ist bei den Mehrwerten überhaupt der Anspruch, richtigzuliegen. Sonst ist bei den Headlines bereits eine Chance vertan, den wirklichen Informationsbedarf hinter den Ängsten der Leser* oder Zuschauer*innen als greifbares Mehrwertpotenzial anzusprechen. Insbesondere dann, wenn es auch noch richtig scheint, sich an ihren Ängsten zu bedienen, um sie in Anbetracht des eigenen Scheiterns zu infantilisieren.
Zudem hat das Unterschätzen der eigenen Leser* und Zuschauer*innen seinen berechtigten Preis. Denn die „Kinder“ der ARD meinen, gar nicht mehr so verwandt mit ihrer buckeligen Sendelandschaft zu sein. Nur noch 44 Prozent sehen sich laut der sendereigenen Akzeptanzstudie von der Medienmarke repräsentiert. [vgl. Q3b]
In guter Absicht
Mag sein, dass es stilistisch gesehen viel Gehaltvolles, Schönes und Kreatives vom Verlagswesen abzuschauen gibt, seltener vom Rundfunk. Doch wenn es uns darum geht, Themen zu kommunizieren, muss die kreative Effektrichtung von Content-Marketing-Headlines andere Formen von Aufmerksamkeit erzeugen als bei journalistischen Produkten oder PR-Texten. Wir berichten nicht, unseren redaktionellen Entscheidungen liegen eine ganze Reihe anderer strategischer Zielsetzungen zugrunde. Schwerpunktmäßig beabsichtigen wir ja, Inhalte mit Mehrwerten zu kommunizieren. Journalist* und Fachredakteur*innen wollen in den Headlines eher den Nachrichten- oder Neuigkeitswert ihrer Inhalte darstellen und greifen dazu Aktualität, geografische oder emotionale Nähe oder Prominenz auf und kommunizieren „was ist“.
Sich also von journalistischen Redaktionen oder PR-Vorgaben bei den Headlines inspirieren zu lassen, ist für das Content-Marketing nicht wirklich sinnvoll. Kreativität erfüllt im Content-Marketing eine andere Funktion, die bei den Headlines weit über stilistische Vorgaben innerhalb von Medienhäusern und deren Redaktionslinien hinausgeht. Auch die Relevanz und der Wert einer Nachricht etwa werden anders erfasst und in der Headline ausformuliert, als es bei der Heranführung an Mehrwerte für Content-Marketing-Inhalte der Fall ist.
Sollten wir also zeigen, wie gut wir uns in der Welt auskennen, die richtigen Fragen stellen und Fakten voranstellen? Das Content-Marketing sollte im Grunde nicht einmal erklären, wie gut Produkte oder Dienstleistungen sind. Wir wissen, was gut ist. Und deshalb müssen die Headlines vorrangig an Mehrwerte heranführen, die vermitteln, wie gut unsere Leser*innen sein können. Mit Headlines, die ihre Relevanz aus Themenfeldern ziehen, in denen sich ihr Bedarf immer wieder abspielt.
Wie brauchbar diese mehrwertigen Inhalte dann ankommen, hängt vergleichsweise davon ab, wie du den Nutzen von Textinhalten an sich einschätzt.
Wie kreativ lässt du diesen Nutzen ausformulieren?
Säe Nutzen – ernte Nutzen!
Was versprechen wir uns überhaupt von Texten, wenn wir sie lesen wollen? Wir müssen etwas im Sinn haben, wenn wir uns ihnen zuwenden, nicht wahr? Es kann nicht schaden, sich hier ein wenig auszukennen, um die Qualität von Headlines besser einzuschätzen, bevor du sie freigibst: Wenn du weißt, was sein kann, halte dich am besten an vier einfache – meist aber unbewusste – Absichten. Diese beschreiben immer die gleichen Zweckdienlichkeiten von Texten. Wir wollen nämlich immer nur das gleiche, wenn wir lesen – sei es ein Roman, eine Webseite oder eine Weihnachtskarte: [Q4]
1. Reaktionen (z. B. Emotion, Motivation, Unterhaltung, Anerkennung, Ablenkung, Interaktion …)
2. Lerneffekte (z. B. Wissen, Fantasie, Fähigkeit, Meinung, Präferenzen, Orientierung, Reflexion …)
3. Verhaltensänderungen (z. B. Optimierung, Imitation, Kommunikation, Handlung, Transformation …)
4. Ergebnisse (z. B. Erfolg, neue Perspektiven, Zufriedenheit, Wertschätzung, Zahlen, Status, Gewinn, Beweise …)
Nur was wollen deine Leser*innen?
Nehmen wir mal an, sie würden bei einem „relevanten Mehrwert“ zugreifen, also klicken. Damit dieser für sie relevant wirkt, muss eine der erwähnten Absichten in der Headline kommuniziert werden. Die Zweckdienlichkeit einer Reaktion, etwa Humor oder Unterhaltung, wird aber nicht an der Reaktion selbst ablesbar. Sie wird aber eine Ebene höher im Lerneffekt (z. B. Meinung, Präferenzen, Reflexion) greifbar. Wir lernen durch die Reaktionen etwas, z. B. bei Schmerz oder Freude. Und Humor, um bei dem Beispiel zu bleiben, dient im Content-Marketing nicht dem Selbstzweck einer Reaktion. Es sei denn, du hast vielleicht vor, dich als Alleinunterhalter mit deinen Inhalten zu positionieren.
Wahrscheinlich nicht, also nimm deine Leser*innen einfach mit. Ein Beispiel – es ist nicht schwer: In der ursprünglichen Headline geht es um einen Lerneffekt, der sehr phrasenhaft formuliert und noch dazu als Spoiler daherkommt: „6 kreative Ideen, Schnürsenkel zu binden – mit Anleitung“ ← was ist oder was steckt drin – besser wäre: ↓

Die Verhaltensänderung „Blicke verwickeln mit 6 kreativen Schnürsenkel-Ideen!“ wird hier über ein doppeldeutiges Ergebnis (neue Bindung?) viel greifbarer. Nämlich als ein indirektes Versprechen, welches etwas in Aussicht stellt: Kommunikation, Flirt, Signalisierung – eine neue Beziehung? Zugegeben, mit der Headline „6 kreative Ideen, Schnürsenkel zu binden – mit Anleitung“ können alle, die nur im entferntesten Sinne mit Schuhen oder Outfits zu tun haben, ein klein wenig kreativ tun.
Das reicht aber nicht.
Die Mehrwert-Headline muss etwas transportieren: eine spezielle Erwartung deiner Leser*innen an dich als Inhaltsexpert*in oder Marke ihrer Wahl. Wir nennen das Conversion. Falls deine Headline diese nicht im Blick hat, einfach nur ziellos Gratis-Wissen verteilt, solltest du rebriefen. 80 % der Wirksamkeit eines Textes hängen in der Regel von der Headline ab. Das behauptete zumindest vor langer Zeit David Ogilvy (amerik. Werbegott, † 1999). Was nun wirksam im Content-Marketing bedeutet, kannst du aus meiner folgenden Tabelle bei den erwartbaren Key Results entnehmen. Headline-Effekte!

Überprüfe mal, ob du mit der Übersetzung deiner Inhalte in Kommunikation richtig liegen wirst. Generell sollten wir uns beim Texten der Headline an der Zwischenebene orientieren. Das bedeutet, dass diese Headline automatisch immer das kommunizieren wird, was sein kann oder sein soll oder nicht mehr sein muss oder sein soll. Wird der Content-Mehrwert im Spannungsfeld von Lerneffekt und Ergebnis plausibel, müssen wir in der Headline beispielsweise eine Verhaltensänderung kommunizieren.
Versuchst du an dieser Stelle hingegen, deine Leser*innen mit (indirekten) Frageaussagen zu mobilisieren, greifst du lediglich zur Headlinephrase. Du kannst die Leser*innen weder einzigartig noch effizient an den Mehrwert des Inhalts heranführen. Du beziehst dich inhaltlich ja nur auf das, woraus sich der Mehrwert eigentlich ergeben sollte. Das klingt zumindest (folge)richtig. Aber das, was deine Inhalte an Informationen hergeben oder was in deinen Beiträgen drinsteckt (was ist). Das wird nicht dasselbe sein wie das, was deine Leser*innen ansprechbar macht. Probiere es aus. Downloade jetzt kostenlos die vollständige Tabelle „Headline-Effekte“:
Und bedenke: Falls deine Marke oder dein Business zu einer der folgenden Branchen gehört – je innovativer, desto besser – lohnt es sich, mehr über individuelle und kreative Textgestaltung zu erfahren:
Technologie
Mode und Accessoires
Kultur, Unterhaltung, Event
Kunst, Design und Handwerk
Lebensmittel, Kulinarik, Nahrungsergänzung
Bist du dabei?
Quellen
[Q0] Horizont-Redaktion 2009. „Coke Zero spielt den Retter in der Not - HORIZONT“. Abgerufen 22. Februar 2024 (https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/-Coke-Zero-spielt-den-Retter-in-der-Not-82861).
[Q1] Paul, Jens Peter 2023: „Sprache der Qualitätsmedien - Der Offenbarungseid | Cicero Online“. Abgerufen 4. Mai 2024 (https://www.cicero.de/kultur/journalismus-medien-offentlichrechtlichesfernsehen-tagesschau).
[Q2] Reschke, Anja. 2016. „Aber was heißt denn das: ‚Sagen, was ist‘?“ Übermedien. Abgerufen 22. Februar 2024 (https://uebermedien.de/1995/aber-heisst-denn-das-sagen-ist/).
[Q3] vgl. Berkley International Framing Institut (k. J): „Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“. Seite 3. Abgerufen 5. August 2024 (https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf).
[Q3b] KOM Redaktion 2025. „Nur 44 Prozent fühlen sich von der ARD repräsentiert - Medienanalyse | KOM - Magazin für Kommunikation“. Abgerufen 21. April 2025 (https://www.kom.de/medien/nur-44-prozent-fuehlen-sich-von-der-ard-repraesentiert/).
[Q4] Anlehnung an das das Kirkpatrick-Model von Kirk Patrick 1959
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